Industrial Motion Art Filmproduktion | The Visual Effects and Digital Art Studio of Reinhold A. Konrad – Fragner

Vom Sternenstaub zur Strauss-Space-Odyssee: 2001 trifft Walzer [de] Teil2

Der entscheidende Takt: Design-Wahl, Comeback und Set-Bau im Strauss-Kosmos

Recap: Teil 1 – Vom Sternenstaub zur Strauss-Space-Odyssee

Im ersten Teil dieser Serie habe ich die faszinierende Reise in die visuelle Gestaltung des Pausenfilms “2025 – Eine Strauss-Odyssee” beim Neujahrskonzert eingeleitet: Von der initialen Kollaboration mit Regisseurin Barbara Weissenbeck, über die funktionalen Anforderungen an Brücke, Chill-Bereich und Rotationsring, bis hin zu vier thematisch straussianisch inspirierten Raumschiff-Entwürfen. Grobe Skizzen wurden rasch in 3D nachgebaut, um Feedback von Regisseurin Barbara Weissenbeck und Kameramann Hubert Doppler zu ermöglichen. Die Spannung vor der Präsentation war greifbar: Welche Designs würden favorisiert?

Die Entscheidung: Mut zu Unkonventionellem

Es kristallisierte sich rasch heraus, dass Barbara Weissenbeck und Kameramann Hubert Doppler nicht nur mutig, sondern auch visionär dachten: Sie bevorzugten die unkonventionellen Entwürfe. Statt der klassischen, symmetrischen Varianten wie Weltausstellung oder Riesenrad fiel die Wahl auf das Notenschlüssel-Design – eine stilisiert fließende Silhouette, die wie ein Violin-Schlüssel durch den Kosmos wirbelt und symbolisch Strauss’ Notenblätter evoziert. Seine eleganten Kurven versprachen nicht nur visuelle Poesie, sondern auch technische Vorteile: Die asymmetrische Form erlaubte dynamische Kamerafahrten, die perfekt mit den Walzer-Rhythmen synchronisiert werden konnten.


conceptual industrial design concept, marker rendering-style drawing, side view of a space station ring with text "elements positive", large open rings with no doors and a central metal pole in the center, product design sketch, white background, futuristic alien technology theme, plain watercolor
Evolution des Raumschiff Designs

In den folgenden Besprechungen vertieften wir die Details, um das Konzept nahtlos in die narrative Struktur des Films einzubetten. Szenen und Einstellungen wurden erarbeitet: von der sanften Rotation des Rings bis hin zu dramatischen Momenten der Isolation im Weltraum. Das Design wurde weiter anpassten und optimierten. So erhielt die Orangerie, jener grüne Oase inmitten der Sterne mit ihren Zitronenbäumen einen deutlich größeren, atemberaubenden Raum: Ein langer zylindrischer Biosphären-Bereich, der durch modulare, drehende Plattformen erweitert wurde.


Die Szenen auf der Brücke und im Rotationsring wurden präzise definiert. Besonders spannend war die Ausarbeitung des Notfalls – jener dramatischen Krise, in der der Kapitän gezwungen ist, aus dem Schiff auszusteigen und es eigenhändig zu reparieren. Diese Sequenz, inspiriert von Kubricks klaustrophobischer Intimität in 2001, wurde zu einem Höhepunkt der visuellen Spannung.

in the space station, there is an Astronaut at an open hatch. Features hand-drawn lines and rough strokes. it has a white background
Skizze: Kapitän Strauss an der Luftschleuse

So entstand aus einer Skizze ein kompletter Plan für das Schiff – das die Bühne für Kapitän Strauss sein wird.

Ein Anruf, so bitter wie die Schale einer Zitrone

Anfang Juni läutete mein Telefon – und mit ihm ein Schlag ins Kontor, schärfer als eine zerrissene Partitur, auf der Strauss’ elegante Notenblätter zerfetzen, als wollte der Kosmos selbst die Harmonie der Wiener Salons zerstören.

Barbara Weissenbeck war am Apparat, ihre Stimme gedämpft vor Enttäuschung: Die Obrigkeit – also der ORF – traue sich nicht an eine so gewagte Vision heran. Strauss und Raumschiff, Walzer im Vakuum? Zu riskant für den Pausenfilm. Das Projekt war gestrichen, wie ein unvollendeter Takt in einer Symphonie. Nicht nur floss die bisherige Arbeit – Monate der Skizzen, 3D-Modelle und intensive Brainstormings – ins Leere; Barbara musste sich nun etwas gänzlich Neues ausdenken, und das mit nur noch sechs Monaten bis zur Produktionsabgabe. Die Luft knisterte vor Frustration: Hatten wir die Brücke zwischen Wiener Poesie und kosmischer Odyssee umsonst geschlagen?
Schweren Herzens legten wir die Entwürfe zu den Akten, archivierten die Projektdateien, die nun staubig dalagen wie vergessene Notenblätter. Wir wandten uns anderen Aufträgen zu. Die Wochen wurden zu einem Nebel, in dem der Enthusiasmus für die Strauss-Odyssee verblasste, ersetzt durch die Routine des Überlebens in der freiberuflichen Filmbranche. Doch tief drinnen lauerte die Sehnsucht – nach jenem Schiff, das wir in Skizzen zum Leben erweckt hatten.

Dann, Anfang Juli, ein weiterer Anruf von Barbara. Ihre Worte stockten, fast schüchtern: „Ich traue mich gar nicht zu fragen… aber sie wollen doch die Space Odyssee. Willst du noch daran arbeiten?“ Ein Funke entzündete sich wie der Fusionsreaktor unseres Raumschiffes. Wie die Regisseurin es geschafft hatte, die Entscheidungsträger umzustimmen – durch charmante Präsentationen, Prototypen-Demos oder pure Leidenschaft? Das blieb ihr Geheimnis, doch sie hatte es geschafft. Die Vision bekam doch noch grünes Licht. Leider hatten wir einen Monat verloren, und die gesamte Pipeline musste aus dem Tiefschlaf gerissen werden: Von Null auf Hochtouren, mit adaptierten Assets, neuen Physik-Sims und einer Deadline, die wie ein Asteroid heranschoss.

Hier zeigte sich unsere Stärke – die Essenz des VFX-Handwerks: Flexibilität, jahrelange Produktionserfahrung und die tiefe Liebe, Probleme nicht nur zu lösen, sondern sie in narrative Chancen zu verwandeln.

Nun hieß es, höchst effiziente Workflows zu entwickeln, um den Zeitverlust wettzumachen. Die Dreharbeiten sollten Mitte August starten, und Designs für die Innenräume – Brücke, Chill-Bereich, Ring – waren zum Teil noch ausstehend. Es galt, Prioritäten zu setzen: Welche Elemente mussten physisch greifbar sein, um die Schauspieler und Kamerateam zu inspirieren, und welche durften rein digital erblühen? Optimierungen und eventuelle Kompromisse wurden rasch mit Barbara und Hubert skizziert. Es wurde entschieden, welche Teile real für das Set gebaut werden sollten und welche erst am Computer entstehen: Der chillige Lounge-Bereich, vor den einziehbaren Technikkonsolen verortet, wurde im Studio gezimmert – ein taktiles Stück Wiener Gemütlichkeit mit weichen Polstern und diffusem LED-Licht. Ebenso die bogenförmigen Träger als Dummy-Objekte: Grobe, aber wichtige Aufbauten, um die Lichtstimmung dem finalen 3D-Modell gleichzusetzen.


Grobe 3D Modelle, um Kameraeinstellungen zu testen

Im Gegensatz zu Kubricks ikonischer Rotationskapsel in 2001, sollte unser Ring für künstliche Gravitation physikalisch plausibel wirken. Das führte zu einem viel größeren Radius und einer höheren Rotationsgeschwindigkeit – selbst für Kubrick wäre das weit außerhalb des Budgets gewesen. Die Lösung war ein Meisterstück der Improvisation: Ein umgebautes Laufband als Kern, umgeben von stabilen Gimbals, ergänzt durch schlaue Lichtführung und eine gut koordinierte Kameraführung. Hier war eine Shotplanung essentiell. Durch Prävisualisierung wurden Kameraeinstellungen, Beleuchtung und Effekte getestet und auf Machbarkeit überprüft.

Letzte Absprachen vor der ersten Klappe.

Es war ein Adrenalinrausch: Aus der Asche der Absage entstand ein robusterer Plan, der die Strauss-Odyssee nicht nur rettete, sondern sie mit neuem Elan auflud – bereit für die Sterne, wo Walzer und Weltraum endlich verschmelzen würden. Die Dreharbeiten können beginnen.

Inside the Ring of the Spaceship "Danube I"Innenansicht des Ringes


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