In Teil 1 tauchten wir in die Entstehung der VFX für “2025 – Eine Strauss-Odyssee” ein: Eng mit Barbara Weissenbeck und Sylvia Massnovits kollaborierend, entwarfen wir Raumschiff-Konzepte, inspiriert von Wiener Ikonen – vom Prater-Riesenrad bis zum Notenschlüssel. Kernräume wie Brücke, Chill-Bereich und Biosphäre verbanden Funktionalität mit straussianischer Poesie, balanciert durch plausibles Design à la Syd Mead und Feng Zhu.
Teil 2 brachte Drama: Die mutige Wahl des Notenschlüssel-Designs, eine ORF-Absage und den triumphalen Comeback. Effiziente Workflows retteten den Plan – mit physischem Set-Bau (Lounge, Technikkonsolen, ein Laufband als Ring) und Improvisationen, die Setbacks in narrative Chancen wandelten. Adrenalin pur: Aus der Asche entstand Elan für die Sterne.
Teil 3: Drehstart im Notenschlüssel – Wo Plan auf Realität trifft
Wir hatten exakt vier Drehtage angesetzt – vier Tage, um ein Raumschiff aus Skizzen und Laufband-Träumen Wirklichkeit werden zu lassen. Der Montag war offiziell als Aufbautag deklariert, doch in Wahrheit begann hier bereits der erste Tanz zwischen Theorie und Praxis.
Montagmorgen im GUXTU-Studio: Das Team von Aufgemoebelt rollte an, beladen mit den Teilen konstruiert aus meinen Plänen. Mein Credo von Anfang an war gewesen, unserem Kapitän Thomas Strauss großzügigen Raum zu schenken, schließlich sollte er später tatsächlich Walzer tanzen, schwerelos und doch geerdet. Selbst das große Studio fühlte sich plötzlich eng an, doch dank modularer Bauweise – Segmente, die sich wie Puzzlestücke zusammenschieben ließen – hatten wir das bereits im Vorfeld gelöst.
Zuerst standen die Lounge-Szenen auf dem Plan: jener intime, wohnliche Bereich ganz vorne im Schiff, überdacht von einer monumentalen Glaskuppel, die es physisch gar nicht gab. Sie würde erst später virtuell entstehen, als nahtloses 3D-Element, das sich perfekt in die reale Lichtstimmung einfügt. Regie, Kamera, Licht und Ausstattung werkelten gemeinsam an den letzten Verfeinerungen: Polster etwas weicher, LED-Licht etwas wärmer, ein Hauch von Wiener Gemütlichkeit inmitten der Kälte des Alls. Plötzlich war sie da – greifbar, wohnlich, bereit für Reflexion und Walzer.
Parallel dazu erwachten die bogenförmigen Lichtdummies zum Leben: filigrane Spannten, verkabelt und getestet, die später im Compositing als Träger des digitalen Rumpfes dienen würden. Und natürlich die Konsolen – jene eleganten, futuristischen Interfaces, an denen unser Raumfahrer bald in die Archive seines Ururgroßonkels eintauchen und über Herkunft, Musik und Schicksal grübeln sollte. Jede Taste, jedes Leuchten war bewusst platziert, denn ich wusste: Hier würden später Notenblätter durch den Kosmos wirbeln und sich mit Sternenstaub verbinden.
Was auf dem Papier noch Theorie war, begann nun zu atmen. Und wir standen erst am Anfang des ersten von vier Tagen – vier Tagen, in denen aus Holz, Licht und viel Leidenschaft ein Raumschiff entstehen sollte, das bereit war, Johann Strauss durch die Sterne zu tragen.
Dienstag: Die erste Klappe fällt – und der Walzer beginnt
Dienstagmorgen, die Luft vibrierte vor Spannung. Dank des perfekten Aufbautags konnte Barbara Weissenbeck sofort die erste Klappe schlagen. Die Lounge war nicht länger nur ein Set – sie war Thomas Strauss’ Wohnzimmer im All geworden. Noch im Frack, erschöpft von einer durchzechten Silvesternacht, lag unser Kapitän auf dem Sofa, umgeben von „antiken“ Schätzen: ein altes Röhrenradio, das auf Reparatur wartete, ein Biedermeier Tisch, eine 70ies Lampe. Barbara Weissenbeck inszenierte diese Einsamkeit mit einer fast schmerzhaften Schönheit – leise, intim, ungekünstelt.
Dann musste Erich Puchner, unser Oberbeleuchter und Lichtzauberer, sein Können für einen Moment zurückschrauben: flaches, langweiliges, helles Licht, keine Magie. Denn während die Crew eine Kaffeepause machte, schoss ich hunderte Fotos der Lounge – alle mit derselben Brennweite, ISO 100 und kleinster Blende. Ein präzises Photogrammetrie-Shooting, damit das physische Set später 1:1 digital rekonstruiert und für Außenaufnahmen im Weltraum und in anderen Szenen verwendet werden konnte. Ein kleiner, aber entscheidender Schritt, der uns in der Postproduktion unzählige Stunden retten würde.
Nun folgten Kostümwechsel, kleine Umbauten, Lichtwechsel. Szene für Szene wurde abgedreht – stille Dialoge mit dem Bordcomputer, träumende Tanzschritte im Dreivierteltakt der Stille.
Als VFX-Supervisor hatte ich mir über die Jahre goldene Regeln auferlegt: So gut wie möglich im Vorfeld mit Regie und Produktion abstimmen, damit der Dreh so wenig wie möglich gestört wird. Regie soll und muss Schauspieler, Kamera und Crew dirigieren – der VFX-Supervisor darf kein zusätzlicher Stressfaktor sein.
Doch zwei Dinge sind mir heilig, und das teile ich mit jedem Kollegen, der jemals an meiner Seite stand:
- Immer für die Regie da sein – sofort, wenn Fragen, Ideen oder spontane Wünsche auftauchen. Ein „Können wir das noch schnell so drehen?“ darf nie ins Leere laufen.
- Immer mitdenken, mitfiebern, mitverfolgen – jede Kameraeinstellung, jedes Licht, jede Bewegung. Denn nur so kann ich in der Postproduktion zaubern, statt verzweifelt zu flicken.
Wenn ich am Set den Satz höre „Ach, das machen wir in der Post“, zucke ich innerlich zusammen. Nein. Diesen Satz sollte, wenn überhaupt, ausschließlich der VFX-Supervisor sagen, und zwar erst, nachdem er abgewogen hat, dass es später tatsächlich eleganter, schneller und günstiger wird. Alles andere ist ein gefährlicher Freifahrtschein für Nachlässigkeit.
Genau hier liegt oft der Grund, warum CGI und VFX in manchen Kreisen noch immer einen zweifelhaften Ruf hat. Mit guter Preproduction, durchdachten Konzepten und einem On-Set-Supervisor, der von Anfang an mitdenkt, lassen sich ein Großteil der späteren Kopfschmerzen vermeiden, die Qualität steigern, Zeit und Kosten sparen. Leider beobachte ich zunehmend, dass genau an diesen Stellen gespart wird: weniger Pre-Vis, kein Supervisor vor Ort, und die Hoffnung, „die Post wird’s schon richten“.
Ich fürchte, der aktuelle AI-Hype wird diese Entwicklung noch beschleunigen, statt sie aufzuhalten.
Bei der Strauss-Odyssee war das erfreulicherweise anders. Barbara Weissenbeck und ihr gesamtes Team, von Kamera über Licht bis Ausstattung, arbeiteten vorbildlich. Jeder verstand, dass ein gut geplanter Drehtag Gold wert ist und dass „in der Post“ kein Allheilmittel, sondern eine letzte, bewusst gewählte Option bleibt. Genau deshalb konnte aus flachem Licht, Photogrammetrie und einem improvisierten Set echte Magie entstehen.
Mittwoch: Kommandozentrale und Orangerie – Licht, Blau und ein Hauch von Zukunft
Am Mittwoch wechselten wir in die Kommandozentrale, die nahtlos hinter der Lounge anschloss – jenen Bereich, in dem unser Kapitän die Kontrolle übernimmt und sich gleichzeitig auf der Suche nach nach seiner Identität begibt. Hier kamen die vier grob nachgebauten Spanten-Module zum Einsatz: nicht als fertige Architektur, sondern als Lichtdummies. Sie warfen genau jene Reflexionen und Schatten, die später das digitale Schiff glaubwürdig machen würden. Vorbereitete, animierte Monitor-Inhalte warfen ihr kaltes, flackerndes Cyan-Blau auf Gesichter und Stoffe – ein Schimmer, der Authentizität atmete.
Vier reale Module reichten aus, um zwölf vorzutäuschen: Dank unserer klugen Shotplanung und ein paar gezielter Kamera-Tricks entstand die Illusion eines vollständigen Rings – ein kleiner, aber effektiver Budget-Zaubertrick.
Warum Bluescreen statt Greenscreen? Ganz einfach: Mache Dissonanz zur Harmonie. Ein leichter Blauschimmer gehörte zur Bildsprache dieses Films – das sanfte Leuchten der nahen Erde, das kalte Flimmern der Bildschirme, die melancholische Stimmung der Einsamkeit. Ein grelles Grün hätte ständig gegen diese Farbwelt gekämpft; Blau hingegen verschmolz. Mein Tipp aus jahrzehntelanger Erfahrung: Überlegt euch schon in der Preproduction, welche Farbe euer Key wirklich haben soll. Und bitte – leuchtet Chroma-Key-Stoffe nie zu hell aus. Das spart später Tränen beim Keying.
Die Orangerie war der letzte Akt des Tages. Da hier nur wenige Szenen spielten, entschieden wir uns für ein komplett virtuelles Set. Der physische Boden blieb, alles andere wurde später in 3D wachsen: Zitronenbäume, die im Sternenlicht schweben, Blütenblätter, die sich langsam drehen. Auch hier wieder viel Blau – und wieder der gleiche Gedanke: Roto-Arbeit, die wir noch von Hand machen mussten. Ein kleiner Test mit aktuellen AI-Tools während der Produktion war ehrlich gesagt ernüchternd. Die Technik kommt, keine Frage, aber noch ist sie kein Ersatz für ein geschultes Auge. Ich freue mich trotzdem auf den Tag, an dem wir uns endlich von Keying- und Roto-arbeiten verabschieden dürfen, und dieser Tag rückt näher.
Letzte Klappe. Der Mittwoch verlief nach Plan – ein seltener, schöner Satz in unserer Branche. Doch der Donnerstag wartete bereits mit der größten Herausforderung: dem Laufband-Ring und der künstlichen Gravitation.
Donnerstag: Letzter Drehtag – Ausstieg ins Ungewisse
Donnerstag, der finale Akt unserer Studio-Odyssee. Vormittags stand die Ausstiegsszene auf dem Plan – jener atemberaubende Moment, in dem unser Kapitän, Thomas Strauss, eine verzweifelte Reparatur an der Schiffshülle durchführen muss. Er schlüpft in seinen Vintage-Raumanzug, ein Relikt aus der Apollo-Ära, das er – wie nur er es weiß – vor dem sterilen Glanz moderner Modelle bevorzugt. Ein Hauch von Nostalgie inmitten des Chaos, ein Tribut an die Pioniere, die vor ihm die Sterne eroberten.
Notfallbeleuchtung flammte auf: intensives Rot, das den Druckkabine-Alarm simulierte, während die Luke – vorerst nur grobe Holzplatten, bespannt mit blauem Stoff – aufging. Dahinter gähnte die Weite des Alls, die blaue Erde unter ihm ein ferner, verheißungsvoller Schimmer. Wieder Bluescreen, passend zur erdigen Kühle.
Neben den klassischen VFX-Supervisor Tools wie Color Checker (Farbkarte) und Chromkugel oder Fischeye lens, rate ich immer auch so viele Setfotos wie möglich zu machen. Sie können oft hilfreich sein, wenn dann doch nicht jedes Licht und jede Kameraposition notiert ist.
Ein weiterer Höhepunkt wartete auf den Nachmittag: Unser Protagonist sollte in einem 120-Meter-Ring laufen, der durch Zentrifugalkraft künstliche Gravitation erzeugte – eine Hommage an das Set von 2001, nur ambitionierter. Nun, das Budget reichte knapp nicht für einen solchen Koloss, und selbst Kubrick musste sich mit seinem 11,5-Meter-Ring am Boden begnügen – immer noch zu klein, um Übelkeit zu vermeiden, aber ikonisch. Unsere Lösung? Ein umgebautes Laufband als Kern, umhüllt von blauen Tüchern und geschicktem Licht, das die Illusion von Rotation und Schwerelosigkeit webte. Hier tropfte echter Schweiß – Thomas Strauss, der echte Ururgroßneffe, joggte im Kreis, während Johann Strauss Perpetuum mobile erklang. Ein Moment der puren, greifbaren Magie: Der Mann, der das Erbe trug, wurde zum Pionier.
An dieser Stelle möchte ich betonen: Es reicht nicht, Konzepte nur mit der Regie zu erarbeiten – sie müssen den Schauspielern präsentiert werden, idealerweise in Anwesenheit der Regie. So kann der Darsteller sich den Raum vorstellen, die Emotionen spüren, bevor er einen Fuß hineinsetzt. Thomas’ Augen leuchteten auf, als er die Skizzen sah; er tanzte schon im Geiste durch den Ring, lange bevor das Laufband quietschte.
Zugegeben, an diesem Drehttag war die Zeit doch sehr knapp. Hier zeigt sich der Wert eines engagierten VFX-Supervisors: Mit klugen Ideen, die im Team erarbeitet werden, und gezielten Kompromissen – ein extra Take hier, ein Proxy-Prop dort – bringt man die Dreharbeiten wieder zum Laufen. Kein Chaos, sondern Flow.
Dann fielen endlich die Worte: „Drehschluss!“
Vier Tage, unzählige Takes, echte Schweißperlen und ein Studio voller Menschen, die gemeinsam etwas geschaffen hatten, das größer war als die Summe seiner Teile. Natürlich wurden weit mehr Szenen gedreht, als ich hier schildern kann – intime Momente der Stille, kosmische Enthüllungen, Walzerschritte im Kreis – doch sie alle tragen dieselbe Handschrift: Leidenschaft, Präzision und ein Licht, das uns den Weg wies.
Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedanken – für den professionellen, herzlichen und trotz aller Hektik freudvollen Dreh. Und ich möchte innehalten, um einem Menschen zu gedenken, ohne dessen unverwechselbares Licht diese Odyssee nie so hell geleuchtet hätte:
Erich Puchner – Der Maler mit Licht
Geboren am 29. Januar 1981 in Tulln an der Donau, war weit mehr als ein Oberbeleuchter – er war derjenige, der mit jedem Strahl eine Geschichte erzählte. Seit 2007 prägte er die österreichische Filmszene: von den ersten Tagen als Beleuchter in Silentium über unzählige Musikvideos und Werbeclips bis hin zu poetischen Dokumentationen und Kinofilmen. Bei unserer Strauss-Odyssee zauberte er aus simplem Studio-Licht die Weite des Alls, das sanfte Blau der Erde und das dramatische Rot der Notfall-Luke – immer mit dieser ruhigen Souveränität und Wärme, die nur echte Könner ausstrahlen.
Am 13. September 2025 ist Erich viel zu früh von uns gegangen. Er hinterlässt eine Lücke, die kein Spot je füllen kann, aber sein Licht lebt in jedem Frame weiter, den er je berührt hat. Danke, Erich – für die Helligkeit, die du uns geschenkt hast, und für die Wärme, mit der du sie geschenkt hast. Ruhe in Frieden.


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